Was macht einen guten Übersetzer aus?

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bin zweisprachige Sekretärin bei X und mache nebenbei Übersetzungen. Ich wäre an einer Zusammenarbeit mit Ihnen interessiert. Im Anhang finden Sie meinen Lebenslauf.

Mit freundlichen Grüßen,

Monika Mustermann

 

Solche E-Mails bekommen wir häufig. Von einer zweisprachigen Sekretärin, die in ihrer Freizeit Übersetzungen macht, wahrscheinlich, um ihr Gehalt aufzubessern. Das einzige Problem: wir arbeiten nicht mit Teilzeitübersetzern zusammen. Wir wollen mit professionellen Übersetzern arbeiten, die sie sich diesem Beruf in Vollzeit widmen, die spezialisiert sind, die sich weiterbilden; die das Übersetzen leben und atmen.

 

Doch was macht eigentlich einen guten Übersetzer aus?

Aus dem letzten Abschnitt geht schon hervor, dass er sich in Vollzeit seinem Beruf widmen muss, mit Körper und Seele, eine Voraussetzung, die auch für andere Berufe gilt. Doch das ist noch nicht genug. Schon seit dreißig Jahren beschäftigen wir uns mit dem Suchen von talentierten Übersetzern. Einige Dinge, die wir für fundamental halten, um ein guter Übersetzer zu sein:

 

1. Gut schreiben

Es ist unmöglich, gut zu übersetzen, wenn man nicht gut schreibt. Ein perfekter Ausdruck in der Schriftsprache ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen guten Übersetzer. Viele verbinden die Wichtigkeit, gute Texte zu verfassen, nicht mit ihrem Beruf als Übersetzer, aber ein schlechter Aufsatz weist meist auch auf einen furchtbaren Übersetzer hin.

 

2. Viel lesen

Dieser Punkt hat viel mit dem guten Schreiben zu tun. Um gut zu schreiben, muss man viel lesen. Deshalb empfehlen wir, so viel zu lesen wie möglich – Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, etc. Lesen erweitert das Vokabular und trägt zur Allgemeinbildung bei. Ihr Schreibstil wird sich mit Sicherheit verbesern, genau wie Ihr linguistisches Repertoire.

 

3. Immer auf dem neuesten Stand sein

Dieser Punkt hat viel mit dem vorangegangenen zu tun. Ein Übersetzer sollte immer gut informiert sein und muss daher viel lesen. Sich informieren gehört zu den alltäglichen Aufgaben eines Übersetzers, denn wahrscheinlich wird er häufig Texte übersetzen müssen, die mit aktuellen Themen zu tun haben und in den sozialen Netzwerken diskutiert werden und wenn man sich gut mit diesen Themen auskennt, hat man die halbe Arbeit schon geschafft.

 

4. Recherchieren

Egal wie gut ein Übersetzer ein bestimmtes Thema beherrscht, wird es immer irgendwelche Fachbegriffe geben, die er nicht kennt. Dann ist es wichtig, zu wissen, wie man recherchiert. Google ist da eine große Informationsquelle, aber es gibt noch viele weitere, wie Online-Glossare, Wikipedia (abgesehen von einigen Ausnahmen), etc. Mittlerweile ist es mithilfe des Internets fast immer möglich, seine Übersetzungsfragen zu klären. Es gibt also keine Ausreden mehr: man muss nur wissen, wie man das online verfügbare Material nutzen kann. Ganz abgesehen von Fachwörterbüchern, die in der Privatbibliothek eines Übersetzers nicht fehlen sollten.

 

5. Mit Kollegen zusammenarbeiten

Findet sich auch nach intensiver Recherche keine Antwort, besteht die Möglichkeit, Kollegen um Rat zu fragen. Das „Networking“ mit Ihren Kollegen ist daher sehr wichtig, denn so werden Sie immer jemanden haben, der Ihnen Ihre Fragen beantworten kann.

 

6. Sich spezialiseren

Wir fragen Übersetzer immer nach ihrem Spezialgebiet. Und zu unserer großen Überraschung bekomme ich immer wieder Antworten wie: “Ich übersetze in allen Gebieten.“, oder „Ich bin spezialisiert in Finanzen, Medizin, Automechanik, Chemie, Biologie, Astrophysik, Fußball, Verträgen und Sozialwissenschaften.“ Ganz ehrlich, da werden wir misstrauisch. Schlimmer noch, wenn wir solche Antworten bekommen, scheidet der Kandidat häufig direkt aus. Wir beschäftigen Übersetzer, die ausschließlich auf dem Gebiet der Medizin arbeiten, andere haben sich auf das Übersetzen von juristischen Texten spezialisert, usw. So vielseitig ein Übersetzer auch ist, er sollte sich immer auf einen Bereich spezialisieren.

 

7. Sich weiterbilden

Auch dieser Punkt gilt eigentlich für alle Berufe, doch besonders Übersetzer sollten sich immer um ihre Weiterbildung kümmern. Das kann ein Kurs über die Rechtschreibreform sein, über Übersetzungstechniken, juristische Fachterminologie oder CAT-Tools.

 

8. Computerkenntnisse

Dazu geben wir Ihnen ein tragisches Beispiel. Wir haben einmal einer Übersetzerin, die zum ersten Mal für uns arbeiten sollte, ein Word-Dokument geschickt, das komplett formatiert war, mit fettgedruckten und kursiven Wörtern, verschiedenen Quellen, einem automatischen Inhaltsverzeichnis etc. Die Übersetzung, die wir bekamen, war überhaupt nicht formatiert, ohne Fettdruck, Quellen, etc. Wir waren perplex. Umgehend riefen wir die Übersetzerin an und bekam die folgende (und bizarre) Antwort: „Ich habe das Dokument ausgedruckt und mit dem Ausdruck gearbeitet. Das mache ich immer so.“ Kein Kommentar. Wir müssen wohl nicht dazusagen, dass das die erste und letzte Übersetzung war, die diese Übersetzerin für uns gemacht hat.

Ein Übersetzer sollte zumindest mit dem Office-Paket umgehen können. Wenn ich Ihnen ein Dokument in einem bestimmten Format zuschicke (außer in pdf), möchte ich es auch im selben Format wieder zurückbekommen. Word, Excel und PowerPoint sollten Sie daher problemlos beherrschen.

 

9. CAT-Tools kennen und anwenden können (Trados, Wordfast, Déjà Vu, etc.)

Als Übersetzungsfirma hören wir immer wieder, dass Übersetzer sich darüber beschweren, dass sie „gezwungen werden, mit Trados (Wordfast, etc.) zu arbeiten, weil die Agentur X, mit der sie zusammenarbeiten das so von ihnen verlangt.“ Das Bild vom CAT-Tool ist in diesen Fällen sehr negativ. Es werde von der Agentur nur verwendet, um auf Kosten des Übersetzers mehr zu verdienen. Das mag in einigen Fällen auch so sein, doch die Übersetzer vergessen in diesen Fällen etwas Fundamentales: diese Programme erhöhen die Produktivität, d.h. sie erhöhen auch den Verdienst des Übersetzers. Egal, ob sie also für eine Agentur oder direkt für einen Kunden arbeiten, bedeutet die Nutzung eines solchen Programms letztendlich, dass Sie produktiver arbeiten und mehr verdienen können.

Wir verstehen nicht, wie Übersetzer heutzutage noch ohne CAT-Tools arbeiten können. Es erhöht die Produktivität, vereinheitlicht die Terminologie, erspart Ihnen beispielsweise das Tippen von Ziffern usw. Übersetzer sollten also ihre Skepsis aufgeben und diese Programme benutzen.

 

10. Immer aufmerksam und perfektionistisch sein

Dieser Punkt mag übertrieben scheinen, aber unserer Meinung nach ist Aufmerksamkeit für einen Übersetzer von fundamentaler Bedeutung. Wir haben schon aufgehört zu zählen, wie oft wir Übersetzungen gesehen haben, bei denen ein Wort oder sogar ein ganzer Satz nicht übersetzt wurde oder Daten falsch übertragen wurden (was bei einer normalen Übersetzung schon nicht gut, bei einer beglaubigten aber noch viel schlimmer ist). Ein Übersetzer sollte beim Übersetzen immer sehr aufmerksam sein und seine Übersetzungen sorgfältig überprüfen. Er sollte ein bisschen perfektionistisch sein, das Ziel haben, eine perfekte Übersetzung abzuliefern, denn sowohl Agenturen als auch Direktkunden erwarten ein einwandfreies Ergebnis, das möglichst wenig Revision benötigt und dies zu leisten, sollte das Ziel eines jeden Übersetzers sein.